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Ratgeber - Gesetze und Urteile

Oberverwaltungsgericht NRW, 20 A 3176/03
Datum: 15.09.2004
Gericht: Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper: 20. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 20 A 3176/03
Vorinstanz: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, 7 K 625/01

Tenor: Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

  1. Tatbestand
  2. Der Kläger vertreibt Elektroreizgeräte für Hunde. Der in einem Hundehalsband integrierte Funksignalempfänger wird derart am Tier befestigt, dass die Elektroden mit der Haut Kontakt haben; auf entsprechende Signale, die ein regulierbarer Sender überträgt, werden Stromstöße unterschiedlicher Stärke abgegeben mit dem Ziel, unerwünschte Verhaltensweisen des Hundes zu unterbinden.
  3. Der Kläger sieht sich durch den Erlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen vom 16. Februar 2000 - Az.: II C 3 - 4201 - 4694 - am Einsatz dieser Geräte gehindert. In dem Erlass ist u.a. ausgeführt:
  4. " ... die Anwendung direkter Stromeinwirkung (Elektroreizgeräte) bei der Erziehung von Hunden [ist] gemäß § 3 Nr. 11 Tierschutzgesetz i.g.F. grundsätzlich verboten... Bis zum Erlass einer Verordnung nach § 2a Abs. 1a Tierschutzgesetz können bei Anlegung strenger Maßstäbe Ausnahmen im Einzelfall nach Zustimmung des jeweils zuständigen beamteten Tierarztes erfolgen, sofern der Einsatz durch sachkundige Personen an Tieren erfolgt, deren Verhalten anderweitig nicht mehr zu korrigieren ist. ..."
  5. Mit Schreiben vom 14. November 2000 informierte der Kläger deshalb den Beklagten von seiner Absicht, auf einem Privatgelände in N. Elektroreizgeräte zur Hundeausbildung einzusetzen und vorzuführen; ihr Einsatz werde im Rahmen des Tierschutzgesetzes erfolgen. Er forderte den Beklagten unter Fristsetzung auf, ihm schriftlich die Zulässigkeit seines Vorhabens zu bestätigen. Unter dem 3. Dezember 2000 teilte ihm der Beklagte mit, dass die Verwendung solcher Geräte nach dem Tierschutzgesetz verboten sei. Bei Anlegung strenger Maßstäbe könnten jedoch im Einzelfall Ausnahmen zugelassen werden. Die Zulassung setze u.a. die Sachkunde voraus; diese müsse beim Kläger geprüft werden.
  6. Der Kläger hat daraufhin am 8. Februar 2001 Klage erhoben. Er hat vorgetragen, § 3 Nr. 11 TierSchG verbiete die Verwendung von Elektroreizgeräten im Rahmen der Hundeausbildung nicht grundsätzlich; auch werde ein Sachkundenachweis nicht vorausgesetzt. Es komme nicht darauf an, ob das Gerät nach seiner Bauart und Funktion dazu geeignet sei, die in der vorgenannten Norm benannten Beeinträchtigungen herbeizuführen; entscheidend sei allein, ob die konkrete Anwendung des Gerätes im Einzelfall solche Folgen habe. Dies könne bei sachgerechter Handhabung ausgeschlossen werden. Die Geräte arbeiteten mit mehreren Stromstufen, von denen nur die obersten Schmerzen hervorrufen könnten. Die niedrigeren Stufen würden nur die Aufmerksamkeit des Hundes erregen, der im unteren Level lediglich ein leichtes Kribbeln verspüre. Der Einsatz der Geräte sei sinnvoll; er ermögliche die gebotene Hundeerziehung auch ohne die sonst notwendig werdenden Zwangsmittel, wie z.B. Stockschläge, Tritte, Stachelhalsbänder. Die Erheblichkeit von Schmerzen sei unter Berücksichtigung ihrer Erforderlichkeit zu Ausbildungszwecken wertend zu ermitteln.
  7. Der Kläger hat beantragt,
  8. festzustellen, dass er berechtigt ist, ohne Sachkundenachweis Elektroreizgeräte in N. vorzuführen und einzusetzen.
  9. Der Beklagte hat beantragt,
  10. die Klage abzuweisen.
  11. Er hat ausgeführt, von dem grundsätzlichen Einsatzverbot von Elektroreizgeräten könne nur unter den im Erlass genannten Voraussetzungen im Einzelfall eine Ausnahme zugelassen werden. Der Gesetzeszweck erfordere eine Auslegung der Norm, die für das Verbot die abstrakte Eignung zur Herbeiführung der untersagten Folgen ausreichen lasse. Der Kläger besitze zudem die erforderliche Sachkunde nicht.
  12. Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Verwendung von Elektroreizgeräten im Rahmen der Hundeerziehung sei wegen deren Eignung, nicht unerhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen, - vorbehaltlich bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften - generell verboten. Mit dem Erlass könnten keine Ausnahmen von dem Verwendungsverbot zugelassen werden; unabhängig davon erfülle der Kläger die Erlassvoraussetzungen nicht.
  13. Hiergegen richtet sich die zugelassene Berufung des Klägers. Er trägt vertiefend vor: Es bestehe ein Feststellungsinteresse für die Klage, da er durch den Erlass und die Haltung des Beklagten faktisch am Einsatz der Geräte gehindert sei. Dem Wortlaut des § 3 Nr. 11 TierSchG könne nicht ansatzweise ein absolutes Verbot ihrer Verwendung in der Hundeausbildung entnommen werden. Der Gesetzestext sei einer differenzierten, auf den Einzelfall abstellenden Auslegung zugänglich. Gegenteiliges könne auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der Norm hergeleitet werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung habe ein Verbot dieser Geräte nicht vorgesehen. Die Bundesregierung habe deren Einsatz bei richtiger Anwendung auch unter Tierschutzgesichtspunkten für vertretbar gehalten und eine Verbotsregelung generell abgelehnt. Diese sei erst im Vermittlungsausschuss im Kompromisswege in das Gesetz aufgenommen worden. Vor diesem Hintergrund könne sich das Verbot nicht auf die sachgerechte Anwendung dieser Geräte erstrecken. In diesem Fall seien die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verbotsnorm (auch) nicht erfüllt; die sachgerechte Geräteanwendung führe bereits zu keiner Beschränkung des artgemäßen Verhaltens der Hunde, sondern stelle dieses im hohen Maße (erst) sicher. Es sei nicht feststellbar, dass die von ihm genutzten Geräte auch bei ihrer sachgerechten Anwendung nicht unerhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden verursachten. Hierüber sei hilfsweise Beweis zu erheben. Zum Einsatz der Geräte führt er präzisierend aus: Auf seinen Veranstaltungen demonstriere er sinnvolle Einsatzbereiche für diese Geräte. Es würden die Ergebnisse der Hundeausbildung gezeigt. Deshalb würden typischerweise die eigenen, bereits an die Geräte gewöhnten Hunde, nicht hingegen solche aus dem Publikum verwendet. Aus diesem Grunde kämen Elektroreize auch eher selten zum Einsatz; diese würden aber aktiviert, um die Wirkung zu demonstrieren, indem den Tieren ihre Grenze aufgezeigt werde.
  14. Der Kläger beantragt,
  15. das angefochtene Urteil zu ändern und festzustellen, dass er berechtigt ist, zur Hundeausbildung dienende Elektroreizgeräte in der vorstehend geschilderten Weise vorzuführen und einzusetzen.
  16. Der Beklagte beantragt,
  17. die Berufung zurückzuweisen.
  18. Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, eine Gesetzesauslegung, die auf die konkrete Handhabung der Elektroreizgeräte im Einzelfall abstelle, widerspreche dem Gesetzeszweck. Sie eröffne Missbrauchsmöglichkeiten, beuge einer fehlerhaften Handhabung nicht ausreichend vor und werde dem wachsenden Tierschutzbewusstsein der Bevölkerung nicht gerecht.
  19. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
  20. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
  21. Die Berufung hat keinen Erfolg; das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
  22. Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig, insbesondere ist sie statthaft und es liegt ein Feststellungsinteresse vor.
  23. Es besteht ein konkretisiertes Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zwischen dem Kläger und dem Beklagten; die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits überschaubaren Sachverhalt ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger beabsichtigt, zur Hundeausbildung dienende Elektroreizgeräte unter in der mündlichen Verhandlung näher präzisierten Bedingungen vorzuführen und einzusetzen. Der Beklagte hält das ohne eine von ihm nach Maßgabe des Erlasses vom 16. Februar 2000 ausgesprochene Gestattung für tierschutzrechtlich verboten.
  24. Das berechtigte Interesse an der alsbaldigen Feststellung folgt daraus, dass der Kläger - ausgehend vom Rechtsstandpunkt des Beklagten - eine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn er die Elektroreizgeräte in der beabsichtigten Weise einsetzt (§ 18 Abs. 1 Nr. 4 TierSchG), so dass er mit ordnungsbehördlichem Einschreiten und der Einleitung eines Bußgeldverfahrens durch den Beklagten rechnen müsste. Das Risiko eines Bußgeldbescheides, der im Einspruchsverfahren möglicherweise als rechtmäßig bestätigt wird, muss der Kläger, der die Geräte vertreibt, nicht hinnehmen.
  25. Die Feststellungsklage ist nicht durch § 43 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen. Da der Beklagte bisher keine Verbotsverfügung erlassen hat, kann der Kläger seine Rechte weder durch Widerspruch noch Anfechtungsklage verfolgen. Die vorbeugende Feststellungsklage ist unter dem Gesichtspunkt ihrer Subsidiarität auch nicht wegen einer möglichen Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Sinne des Erlasses, unzulässig. Eine solche kommt aus der Sicht des Klägers nicht in Betracht, da er die Verwendung von Elektroreizgeräten gerade für nicht erlaubnispflichtig hält.
  26. Die Feststellungsklage ist indes unbegründet. Der Kläger ist nicht befugt, Elektroreizgeräte für Hunde in der hier begehrten Weise in N. vorzuführen und einzusetzen. Die Verwendung der Geräte verstößt gegen § 3 Nr. 11 TierSchG.
  27. Nach der vorgenannten Vorschrift ist es verboten, ein Gerät zu verwenden, das durch direkte Stromeinwirkung das artgemäße Verhalten eines Tieres, insbesondere seine Bewegung, erheblich einschränkt oder es zur Bewegung zwingt und dem Tier dadurch nicht unerhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt, soweit dies nicht nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Elektroreizgeräte für Hunde besitzen diese Eigenschaften. Sie sind bei bestimmungsgemäßer Verwendung nach ihrer Bauart und Funktion geeignet, die untersagten Folgen herbeizuführen; für das Eingreifen des Verbots ist es unerheblich, ob sie so verwendet werden, dass im konkreten Einzelfall solche Folgen tatsächlich nicht eintreten. A.A. Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 5. Aufl., § 3 Rdnr. 83.
  28. Eine an Sinn und Zweck ausgerichtete Auslegung der Vorschrift ergibt, dass es für das Verbot auf die Eignung der Elektroreizgeräte zur Herbeiführung der untersagten Beeinträchtigungen ankommt. Die Entstehungsgeschichte, der Gesetzeswortlaut und die Gesetzessystematik stehen dieser Auslegung nicht entgegen.
  29. Die Verwendung von Elektroreizgeräten zur Verhaltenssteuerung ist generell mit erheblichen Gefahren für das Wohl der Tiere verbunden. Die Geräte sind bei Beachtung aller tierschutzrelevanten Gesichtspunkte (§ 1 Satz 1 TierSchG) schwierig zu bedienen und setzen zur Vermeidung tierschutzwidriger Folgen neben Kenntnissen der Technik der Geräte und ihres Einsatzes profunde Kenntnisse zur Verhaltensbiologie voraus. Eine unsachgemäße Handhabung kann gravierende Folgen für die Tiere haben. Die Geräte eröffnen zudem ein erhebliches Missbrauchspotential. Die Praxis hat gezeigt, dass die vielen erforderlichen tierschützerischen Aspekte bei ihrer Handhabung sehr oft nicht berücksichtigt werden und die gewünschten Effekte (Gehorsam, Bewegung) in der Regel auch durch schonendere Mittel erreicht werden können.
  30. Vgl. BT-Drucks. 13/9538, S. 3 und Nr. 8 der Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 21. Februar 1997, der ein Verbot dieser Geräte nicht vorsah, BT-Drucks. 13/7015 S. 28.
  31. Bezogen auf die Anwendung solcher Geräte bei Hunden betont der Kläger in Übereinstimmung hiermit die Notwendigkeit eines differenzierten sachgerechten Gebrauchs.
  32. § 3 Nr. 11 TierSchG ist in seiner hier maßgeblichen Fassung durch das Änderungsgesetz vom 25. Mai 1998, BGBl.I S. 1094, das allgemein auf ein tatsächliches Mehr an Tierschutz angelegt ist, auf Vorschlag des Bundesrates in das Tierschutzgesetz eingefügt worden, um den mit dem Einsatz der Elektroreizgeräte verbundenen Fehlentwicklungen effektiver begegnen zu können, insbesondere den Schutz der Tiere weiter zu verbessern.
  33. Vgl. Unterrichtung des Bundestages durch den Bundesrat über die Einberufung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks. 13/9538 S. 1.
  34. Angesichts des von den Geräten ausgehenden Gefährdungspotentials für das Wohlbefinden der Tiere stellt allein die hier vertretene Auslegung sicher, dass die mit § 3 Nr. 11 TierSchG verbundene Zwecksetzung hinreichend gewährleistet ist. Sie führt zu einem generellen Verbot der Verwendung dieser Geräte und macht ihre Anwendung von weiteren Vorschriften zur Minimierung des Risikos für die Tiere abhängig. Mit diesen Vorschriften kann der Gesetzgeber den berechtigten Personenkreis und die Art und Weise der Verwendung der Geräte näher festlegen. Eine auf die Folgen einer Anwendung der Geräte im Einzelfall abstellende Auslegung ginge demgegenüber über die im früheren Recht bereits enthaltenen und als unzulänglich empfundenen allgemeinen Maßstäbe für den Tierschutz nicht wesentlich hinaus und verfehlte damit das gesetzgeberische Anliegen. Insbesondere war es bereits nach der früheren Gesetzesfassung verboten, ein Tier auszubilden, sofern damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind (§ 3 Nr. 5 TierSchG); nach § 1 Satz 2 TierSchG dürfen einem Tier ohne vernünftigen Grund keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden.
  35. Dieses Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm nicht in Frage gestellt. Die Vorschrift geht, einen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung gemachten Vorschlag aufgreifend,
  36. vgl. BT-Drucks.13/7015 S. 28 und ablehnende Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drucks. 13/7015 S.41,
  37. auf eine Forderung des Bundesrates im Zusammenhang mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses zurück.
  38. Vgl. BT-Drucks. 13/9538 S.1 und 3.
  39. Die nach dem Vermittlungsverfahren beschlossene Gesetzesfassung weicht zwar von dem Gesetzesvorschlag des Bundesrates ab. Die vorgenommenen Modifikationen haben aber an der Normstruktur und den vorstehend erläuterten Normzwecken selbst nichts geändert. Sie sind zum einen rein sprachlicher Natur ("ein Gerät" bzw. "eines Tieres" statt "Geräte" bzw. "Tieren" in der Fassung des Gesetzesvorschlages), wodurch eine Angleichung an die Formulierung der übrigen Verbotsregelungen des § 3 TierSchG bewirkt wird. Soweit durch die Änderungen zum anderen die Schwelle für die Maßgeblichkeit der verbotenen Folgen (von "vermeidbare" in "nicht unerhebliche" in der Gesetzesfassung) angehoben worden ist, lässt dies keinen Rückschluss auf ein anderes Normverständnis zu. Etwas anderes ist auch nicht aus der Beschlussempfehlung an den Bundestag herzuleiten, auf die in der Begründung für den Vermittlungsausschuss Bezug genommen wurde und die u.a. wie folgt lautete: "Der Deutsche Bundestag bekräftigt die Auffassung, wonach durch Einführung des Wortes "erhebliche" klargestellt wird, dass der Kuhtrainer - richtige Anwendung vorausgesetzt - mit dem Tierschutzgesetz vereinbar ist."
  40. zitiert nach Kluge, Tierschutzgesetz, § 3 Rdnr. 103.
  41. Diese Ansicht widerspricht einer auf die Eignung der Geräte zur Herbeiführung der verbotenen Folgen abstellenden Auslegung nicht; ihr kann die - nicht weiter überprüfte - Vorstellung zugrunde gelegt werden, dass mit der Modifikation der Maßgeblichkeitsschwelle bestimmte Elektroreizgeräte, insbesondere Kuhtrainer, nach ihrer auf bestimmungsgemäße Verwendung bezogenen Bauart und Funktion nicht geeignet sind, diese Schwelle zu erreichen.
  42. Eine am Wortsinn orientierte Auslegung des § 3 Nr. 11 TierSchG führt zu keinem eindeutigen Ergebnis; sie legt aber ein auf die Eignung zur Herbeiführung der verbotenen Folgen abstellendes Normverständnis nahe. Einerseits enthält die Norm keine Formulierungen, die auf einen Regelungsgehalt im hier angenommenen Sinne zwingend schließen lassen, wie beispielsweise "einschränken kann", "zwingen kann" oder "...ein Gerät zu verwenden, das geeignet ist, .... nicht unerhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen". Andererseits trifft die Norm auch keine Klarstellung im entgegengesetzten Sinn. So werden die Nebensätze nicht von Konjunktionen (wie etwa "sofern" in § 3 Nr. 5 TierSchG) eingeleitet, die darauf hindeuten würden, dass es bei der Verwendung der Elektroreizgeräte auf den Eintritt der Folgen im konkreten Einzelfall ankäme. Aus dem verwendeten Indikativ "einschränkt", "zwingt" und "zufügt" kann ebenfalls nichts für ein abweichendes Normverständnis gewonnen werden. Für die hier zugrunde gelegte Auslegung spricht indes, dass das die Nebensätze einleitende Relativpronomen "das" sich auf "Gerät" bezieht, sodass die Eigenschaften des Gerätes selbst näher umschrieben und nicht eine konkrete Handhabung desselben und deren Folgen erfasst werden. Die Eigenschaften des Geräts sind aber von der Art und Weise seiner Verwendung nicht abhängig. Der eine Ausnahme vom Verbot zulassende Satzteil "soweit dies nicht nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften zulässig ist", deutet als Umschreibung eines Regel-/Ausnahmeverhältnisses gleichfalls in diese Richtung.
  43. Systematische Bedenken gegen das hier vertretene Normverständnis ergeben sich insbesondere nicht aus dem Zusammenspiel mit § 2 a Abs. 1 a TierSchG. Nach Auffassung der im Gesetzgebungsverfahren Beteiligten sollte die Anwendung von Elektroreizgeräten im Rahmen der Ausbildung, der Erziehung oder beim Training gerade von Hunden durch eine auf § 2 a Abs. 1a TierSchG gestützte Rechtsverordnung näher geregelt werden.
  44. Vgl. Stellungnahme des Bundesrates zu § 2a Abs. 1a BT-Drucks. 13/7015 S. 26 und Kluge, a.a.O., § 2a Rdnr. 32, Tierschutzbericht 2003 VIII. Ausbildung von Hunden BT-Drucks. 15/723 S. 46.
  45. Dass die vorgenannte Vorschrift lediglich zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, soweit dies "zum Schutz der Tiere" erforderlich ist, steht nicht im Widerspruch zu einer Auslegung des § 3 Nr. 11 TierSchG, die die Eignung der Geräte zur Herbeiführung der genannten Folgen für den Eintritt des Verbots genügen lässt. Aus dem Merkmal der Erforderlichkeit der Verordnung "zum Schutz der Tiere" kann nicht geschlossen werden, dass durch sie das Verbot nicht unter näher geregelten Voraussetzungen konkret ausgestaltet und partiell gelockert werden kann.
  46. A.A. Kluge, a.a.O., § 2a Rdnr. 35.
  47. Denn die Verordnungsermächtigung in § 2a Abs. 1a TierSchG ist auch mit Blick auf den Vorbehalt abweichender bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften in § 3 Nr. 11 TierSchG zu interpretieren. Dieser öffnet einen Spielraum für eine Lockerung des Verbots, der wiederum durch eine den Einsatz von Geräten bei der Ausbildung, bei der Erziehung oder beim Training näher regelnde Verordnung ausgefüllt werden kann.
  48. Eine andere Auslegung des § 3 Nr. 11 TierSchG ist schließlich nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen, insbesondere dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, geboten. Soweit im Einzelfall ein solcher Verstoß - was angesichts des von den Elektroreizgeräten ausgehenden Gefährdungspotentials fern liegen dürfte - denkbar sein sollte, kann ihm nach dem Vorbehalt durch abweichende bundes- oder landesrechtlicher Vorschriften abgeholfen werden.
  49. Ausgehend hiervon liegen bei der vom Kläger beabsichtigten Verwendung von Elektroreizgeräten für Hunde die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Nr. 11 TierSchG vor.
  50. Sie sind geeignet, durch direkte Stromeinwirkung das artgemäße Verhalten eines Hundes erheblich einzuschränken.
  51. Vgl. Hirt, Maisack, Moritz, Tierschutzgesetz, § 3 Rdnr. 62 und Tierschutzbericht 2003 VIII. Ausbildung von Hunden BT-Drucks. 15/723 S. 46.
  52. Es ist gerade ihr Zweck, durch Stromeinwirkung das natürliche artgemäße Verhalten des Hundes - er kann tun, was er will - zu unterbinden, das vom Verwender der Elektroreizgeräte nicht gewünscht wird. Für die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals ist nicht entscheidend, dass für die Unterbindung des Verhaltens vernünftige Gründe sprechen können und in der Praxis gebräuchliche Alternativmethoden zur Erreichung dieses Ziels tierschutzrechtlich problematisch sein können. Diese Einschränkung findet im Wortlaut der Norm keine Stütze. Sie ist auch nicht mit ihrem Sinn und Zweck vereinbar. Dieser ist - wie zuvor ausgeführt - gerade darauf gerichtet, den Einsatz der Elektroreizgeräte wegen ihres generellen Gefährdungspotentials für das Wohlbefinden der Tiere und regelmäßig bestehender schonenderer Mittel zur Unterbindung des tierischen Verhaltens als taugliches Instrument der Hundeerziehung grundsätzlich auszuschließen. Deshalb verfehlen die vom Kläger in Bezug genommenen Äußerungen zur Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Elektroreizgeräten im Rahmen der notwendigen Erziehung eines Hundes den rechtlichen Ansatzpunkt.
  53. Auch das weitere Tatbestandsmerkmal, nämlich die Eignung der Geräte zur Zufügung nicht unerheblicher Schmerzen, Leiden oder Schäden, ist erfüllt. Durch den Begriff "nicht unerheblich" wird entgegen der Ansicht des Klägers anders als beispielsweise mit den Worten "ohne vernünftigen Grund" in § 1 Satz 2 TierSchG oder "vermeidbar" in § 2 Nr. 2 TierSchG nicht auf die Verhältnismäßigkeit zwischen den mit dem Einsatz der Geräte verfolgten Zwecken und den Folgen für das Wohlbefinden der Tiere abgestellt. Hiermit wird lediglich die Intensität der möglichen Folgen als solche beschrieben; eine Relativierung im Hinblick auf den angestrebten Zweck ist in dem Begriff nicht angelegt. "Erheblich" hat generell den Bedeutungsgehalt von "beträchtlich", "gravierend" oder "gewichtig"; für einen abweichenden Aussagegehalt gibt es keinen Anhalt. Ausgehend hiervon sind Schmerzen, Leiden oder Schäden jedenfalls dann nicht unerheblich im Sinne des § 3 Nr. 11 TierSchG - unabhängig von der Frage, ob das Gesetz hinsichtlich der Intensität einen Unterschied zwischen den "erheblichen" und den "nicht unerheblichen" Folgen macht -, wenn sie unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nach Art und Dauer gewichtig sind, wobei für die Beurteilung u.a. die Empfindsamkeit des Tieres oder die Folgen der Behandlung im Verhalten des Tieres bedeutsam sein können.
  54. Vgl. Lorz/Metzger, a.a.O., § 17 Rdnr. 30.
  55. Die Elektroreizgeräte zur Hundeerziehung sind geeignet, derartige Folgen herbeizuführen; dies gilt insbesondere auch für die modernen Niederstrom- Telereizgeräte mit einer Stromstärke von unter 100 mA. Es spricht schon vieles dafür, dass sie geeignet sind, nicht unerhebliche Schmerzen - jedenfalls auf der höchsten Stufe - auszulösen. Angesichts des individuellen Hautwiderstands, des Anpressdrucks der Elektroden und des Feuchtigkeitsgehalts auf der Hautoberfläche werden je nach Handhabung auch für diese Geräte Schmerzzufügungen für möglich gehalten.
  56. Vgl. Kluge, a.a.O., § 3 Rdnr. 106.
  57. Jedenfalls sind die Geräte geeignet, nicht unerhebliche Leiden zu verursachen. Unabhängig vom körperlichen Schmerz sind gewichtige Verhaltensstörungen, insbesondere im Komfort-, Explorations- und Spielverhalten, nachgewiesen worden.
  58. Vgl. Feddersen-Petersen, in: VDH, Grundlagen einer tierschutzgerechten Ausbildung von Hunden - Gutachten zur Verwendung von Elektroreizgeräten bei der Ausbildung von Hunden aus ethischer und ethologischer Sicht, 4. Aufl., S. 60 ff.
  59. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Geräte bei allen Hunden unabhängig von ihrer Größe und ihrem Gewicht, ihrem Ausbildungszustand, ihrer individuellen Empfindsamkeit und dem Grad einer Interventionsnotwendigkeit eingesetzt werden können. Der Kläger hält die Verwendung dieser Geräte auch selbst nicht für generell unbedenklich, sondern lediglich unter bestimmten Voraussetzungen für besser geeignet als übliche Alternativmethoden.
  60. Die Zulässigkeit der Verwendung der Geräte folgt nicht aus besonderen bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften. Zu erwägen ist insofern allenfalls der ministerielle Erlass. Ob dieser geeignet ist, als Vorschrift im Sinne von § 3 Nr. 11 TierSchG zu gelten, kann dahinstehen; jedenfalls sind seine Voraussetzungen nicht erfüllt.
  61. Dem Hilfsbeweisantrag, den der Senat im Urteil bescheiden kann, ist nicht nachzugehen. Auf die unter Beweis gestellte Tatsache kommt es nicht an. Die angestrebte Beweiserhebung geht von einer von bestimmten Rahmenbedingungen abhängigen Anwendung der Geräte im konkreten Einzelfall aus und verfehlt damit den rechtlichen Ansatz. Denn für das Eingreifen des Verbots kommt es allein darauf an, ob die Elektroreizgeräte - bei bestimmungsgemäßem Gebrauch unabhängig von ihrer konkreten Handhabung - geeignet sind, die untersagten Beeinträchtigungen für das Wohlbefinden der Hunde herbeizuführen.
  62. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
  63. - nach oben -Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.